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    Mit Sport nach einem Herzinfarkt wieder auf die Beine kommen

    „Besser als jedes Medikament“

Wer nach einem Herzinfarkt regelmäßig Sport macht, reduziert die Sterblichkeit und das Risiko für erneute Infarkte und tut gleichzeitig etwas für seine Lebensqualität. Doch leider schaffen das längst nicht alle. Ein Patient und ein Arzt berichten.
Erich Müller beim Training der Herzsportgruppe.
Erich Müller beim Training der Herzsportgruppe. Foto: Martina Häring
Mittwoch, 14 Uhr: Da trifft sich die Herzsportgruppe von Erich Müller*. Auch wenn es ihm im Winter schwerfällt, aus dem Haus zu gehen – Diesen Termin lässt er selten sausen. Denn er hat gelernt, dass die Bewegung ihm gut tut.

Seit fünf Jahren kommt er jede Woche zum Herzsport. „Das ist inzwischen schon fast ein bisschen wie eine Familie“, sagt der 77-Jährige. Dass er früher gar keinen Sport gemacht hat, ist für ihn rückblickend einer der Gründe, warum er überhaupt Probleme mit dem Herzen bekommen hat. Schon vor 20 Jahren brauchte er einen Stent, in den kommenden Jahren folgten vier weitere. Damals hat er schon gemerkt, dass er etwas ändern muss, und verzichtet seitdem auf Alkohol und Zigaretten.

Weckruf Bypass-Operation

Was den Sport angeht, kam der Weckruf vor fünf Jahren. Da reichte ein Stent nicht mehr, und er musste am Herzen operiert werden: Doppel-Bypass. Danach ging es in die Reha. „Dort habe ich gesehen, was passiert, wenn man trotz Herzinfarkt sein Leben nicht ändert und seinen Körper weiter kaputt macht. Da habe ich mir gesagt: ,So willst du nicht enden.'“ Erich Müller stellt seine Ernährung um und schließt sich einer Herzsportgruppe an. „Das tut mir gut und ich bin damit mobiler.“

Was passiert im Körper eines Herzinfarktpatienten, wenn er Sport macht?

Wer Ausdauersport macht, steigert und ökonomisiert die Leistung des Herzens. Das heißt, es muss weniger schnell schlagen, um die gleiche Leistung zu bringen. Außerdem wird die Gefäßfunktion verbessert, und praktisch alle Herzinfarkt-Risikofaktoren werden positiv beeinflusst: Der Blutdruck sinkt, Diabetes wird positiv beeinflusst, das Gewicht geht runter, Harnsäure und Cholesterin sinken – und zwar effektiver als durch Medikamente.

Besser leben nach dem Herzinfarkt

Dass Sport nach einem Herzinfarkt oder generell bei koronarer Herzkrankheit viel bringt, ist durch zahlreiche Studien belegt. Zum einen lassen sich die Sterblichkeit und die Gefahr für erneute Infarkte senken. „Und zwar besser als mit jedem Medikament“, sagt der Würzburger Kardiologe und Sportmediziner Christian Rost. Auch die Lebensqualität steigt nachweislich: Wer nach einem Herzinfarkt Sport treibt, hat weniger Beschwerden, kann seinen Alltag besser bewältigen, ist selbständiger und nimmt mehr am sozialen Leben teil. Erich Müller kann das nur bestätigen. Durch den Herzsport fällt es ihm leichter, alltägliche Dinge wie Einkäufe oder Besuche bei Freunden und Familie zu meistern. Auch psychisch geht es ihm besser. Und nicht zuletzt tut es dem Alleinstehenden gut, unter Leute zu kommen: „Man lernt Menschen in seinem Alter kennen, tauscht sich auch aus. So ähnlich wie bei einem Stammtisch.“

Viele haben Angst

Doch obwohl es gute Argumente gibt, treiben leider viel zu wenige Infarkt-Patienten regelmäßig Sport. Manche schaffen es einfach nicht, ihren inneren Schweinehund zu überwinden. Andere wären motiviert, sind aber durch zu viele ungefilterte Informationen verunsichert. „Für manche ist der Herzinfarkt eine Art Weckruf“, weiß Rost aus Erfahrung. „Aber sie haben Angst, etwas falsch zu machen, und lassen es dann lieber ganz.“
Gerade, wenn man nur einen kleineren Infarkt hat und nicht in die Reha geht, läuft man Gefahr, in den alten Trott zurück zu verfallen, ohne seinen Lebensstil zu ändern. „Man nimmt Medikamente, aber ansonsten macht man weiter wie bisher“, so Rost.

Trainingsbeginn: 7 Tage nach dem Herzinfarkt

Dabei wäre es nach heutigem Wissensstand ideal, bereits sieben Tage nach dem Herzinfarkt mit sanftem Training anzufangen. „Dadurch kann man die Umbauprozesse im Herzen, die nach einem Infarkt stattfinden, das sogenannte Remodelling, positiv beeinflussen“, erklärt der Kardiologe. „Jede Woche, die man wartet, kann die Regeneration des Herzmuskels auf Monate verzögern.“ Auch deshalb sei eine stationäre Anschlussheilbehandlung nach einem Herzinfarkt sinnvoll: „Optimalerweise fängt man in der Reha-Einrichtung langsam mit geringer Belastung an, zum Beispiel auf dem Ergometer, und macht Krankengymnastik.“ Ein sanftes Training also, das individuell auf das Leistungsniveau und die jeweiligen Schwächen und Probleme abgestimmt ist. Auch eine ambulante Reha-Maßnahme würde in Rosts Augen Sinn machen. Da gebe es aber noch zu wenig Angebote, und auch die individuelle Beantragung bei der Krankenkasse scheuen viele.
Erich Müller war in der Reha noch nicht fit genug, um Sport zu machen. Er hatte danach aber das Bedürfnis, sich zu informieren, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Deshalb hat er sich durch das Fachchinesisch gekämpft und schließlich das Richtige für sich gefunden. „Man liest zwar überall, dass Sport wichtig ist, aber mich hat nie ein Arzt darauf angesprochen.“ In einer Patientenzeitung der Herzstiftung fand er schließlich einen Hinweis auf Herzsportgruppen und nahm Kontakt auf. „Oft hängt es am Patienten selbst“, kann auch Rost bestätigen. „Dabei ist ein Herzinfarkt eigentlich ein sehr guter Zeitpunkt, um die Leute bei den Hörnern zu packen.“
*Name von der Redaktion geändert
veröffentlicht am 30.04.2018

3 Goldene Regeln zum Sport nach Herzinfarkt

1. Vorher immer Checkup beim Arzt
Auch ohne Reha kann man trainieren. Allerdings nicht, ohne sich von einem Arzt gründlich durchchecken zu lassen, entweder von einem Kardiologen, einem Sportmediziner oder einem versierten Hausarzt. Der Arzt kann unter anderem die optimale Trainingsintensität austesten, die das Herz fordert ohne es zu überfordern. Anschließend sollte man zusammen mit dem Arzt ein individuelles Bewegungsprogramm entwerfen. Wie intensiv und wie häufig, hängt auch vom Trainingszustand ab. Wer schon vor dem Herzinfarkt sportlich war, sollte sich nicht unter-, ehemalige Sportmuffel nicht überfordern. Anfangs sollte das Training fachkundig begleitet werden – etwa in der Rehaklinik oder in einer Herzsportgruppe.
2. Die richtige Sportart wählen
Welche Sportart die richtige ist, hängt unter anderem vom Allgemeinzustand und von weiteren Erkrankungen ab. Zum Beispiel müssen Erkrankungen des Bewegungsapparats, Übergewicht, Diabetes oder Bluthochdruck berücksichtigt werden. Aber das Allerwichtigste ist, dass es dem Patienten Spaß macht, findet Rost: „Wenn jemand nicht gerne schwimmt, dann ist das für ihn auch nicht sinnvoll.“
3. Auf Sport verzichten, wenn man es tatsächlich sollte
Es gibt auch Situationen, wo man auf Sport verzichten sollte: Etwa wenn das Herz schon in Ruhe nicht mehr ausreichend leistungsfähig ist und man Wasser einlagert oder schon in Ruhe oder bei kleinsten Anstrengungen Luftnot bekommt. Oder auch, wenn noch relevante Engstellen der Herzkranzgefäße vorliegen oder unter Belastung gefährliche Herzrhythmusstörungen auftreten. Und wer einen Defibrillator hat, muss prüfen, ob der so programmiert ist, dass man damit Sport treiben kann. Auch nach einer Operation, zum Beispiel einer Bypass- oder Herzklappen-OP, kann man meist nicht gleich loslegen.